Gesundheit + Klima
Unsere Gesundheit ist eng mit unserem Lebensraum verknüpft. Dieser Lebensraum wird durch den Klimawandel verändert. Die Jahresmitteltemperatur hat sich in Baden-Württemberg seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1881 bis heute um 1,6°C erhöht, vor allem in den letzten 30 bis 40 Jahren. Aktuelle Klimamodelle gehen davon aus, dass die Durchschnittstemperatur in Baden-Württemberg noch weiter steigen wird. Dies bedeutet insbesondere eine Zunahme an (städtischer) Hitze, (ländlicher) Trockenheit und Extremwetterereignissen wie Starkregen und Hochwasser.
Hitze und Extremwetterereignisse können die menschliche Gesundheit direkt beeinträchtigen und zu Krankheiten, Unfällen oder schlimmstenfalls zum Tod führen. Indirekte Gesundheitsauswirkungen entstehen durch den Wandel von Lebensräumen und Arten. Steigende Durchschnittstemperaturen begünstigen das Vorkommen und die Ausbreitung von Krankheitserregern und deren Überträgern. Ebenso ist mit einer längeren und intensiveren Pollensaison zu rechnen sowie mit der Verbreitung neuer allergener Pflanzen.
Die persönliche Betroffenheit vom Klimawandel und seinen Folgen hängt dabei stark von sozialen Faktoren ab. Vor allem bezüglich der direkten Auswirkungen wie Hitze sind Alter, Gesundheitszustand und Merkmale der sozialen Lage - beispielsweise Beruf oder Wohnsituation - bedeutsam. Das soziale Ungleichgewicht in unserer Gesellschaft wird somit durch den Klimawandel weiter verstärkt.

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Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel sind vor allem auf den Gebieten notwendig, auf welchen die Vulnerabilität groß ist bzw. dort wo viele Menschen von den Folgen des Klimawandels negativ betroffen sind. Bei fortschreitendem Klimawandel müssen schon existierende Maßnahmen deutlich ausgebaut und weiter entwickelt werden bzw. statt einem empfehlenden einen verbindlichen Charakter erhalten. Daneben werden neue, bisher nicht existierende Maßnahmen erforderlich werden.
Die sehr unterschiedlichen Vorschläge lassen sich drei Maßnahmengruppen zuordnen.
Informationen
Die Bevölkerung oder Bevölkerungsgruppen (z.B. Beschäftigte in Außenberufen oder Besucher von Badeeinrichtungen) werden über die Veränderungen und die sich daraus ergebenden Gefährdungen informiert bzw. vor gesundheitsgefährdenden Entwicklungen gewarnt. Personen in bestimmten Berufen (z.B. Ärzte, Landwirte) oder Führungspositionen (z.B. Lehrer) werden über für sie relevante Entwicklungen informiert.
Monitoring und Surveillance
Unter Monitoring versteht man die direkte Beobachtung bzw. Überwachung eines Zustands oder eines Vorgangs durch ein besonderes Instrumentarium, um anhand der Ergebnisse eine längerfristige Entwicklung bewerten zu können. Surveillance ist die systematische und dauerhafte Überwachung von Erkrankungs- und Todesfällen in der Bevölkerung. Durch die Auswertung der Ergebnisse ergeben sich Hinweise auf Ursachen und Verbreitung von Krankheiten.
Die Auswirkungen von meteorologischen Ereignissen und klimatischen Veränderungen auf die Morbidität und Mortalität sowie auf die Entwicklungen bei Vektoren und Schadorganismen müssen aktuell und dauerhaft beobachtet werden. Monitoring und Surveillance spielen auf dem Handlungsfeld Gesundheit daher eine besondere Rolle. Damit sollen der Gesundheitspolitik auf kommunaler wie auf Landesebene aufgearbeitete Informationen als Grundlage für Entscheidungen und weiteres Vorgehen an die Hand gegeben werden.
Empfehlungen für aktives Handeln
Eine dritte Gruppe von Maßnahmen bilden die Empfehlungen für aktives Handeln, um Folgen des Klimawandels in Bezug auf die Gesundheit in der Bevölkerung zu verhindern oder zu verringern. Diese Maßnahmenvorschläge benötigen einen rechtlichen Rahmen und sollen dann in der Zielgruppe durchgesetzt werden. Maßnahmen sind auch nach ihrem zeitlichen Bezug zur Anwendung zu unterscheiden: Maßnahmen, die kurzfristig wirken sollen (z.B. aktuelle Informationen), mittelfristige Maßnahmen (z.B. organisatorische Maßnahmen) und langfristige Maßnahmen (z.B. Infrastrukturmaßnahmen). Bezüglich der Dringlichkeit stehen Infrastrukturmaßnahmen an erster Stelle.
Unmittelbar einwirkende Klimafaktoren sind der allgemeine Temperaturanstieg, häufiger auftretende Hitzephasen und die Zunahme von Extremwetterlagen. In Städten, vor allem in Großstädten mit Siedlungsverdichtung, wirken sich die Veränderungen besonders deutlich aus. Hier sind bei Hitzephasen zusätzliche Temperatursteigerung und geringere nächtliche Abkühlung zu erwarten. In Baden-Württemberg kommt hinzu, dass sich die Besiedelung des Landes auf die tief liegenden Gebiete konzentriert.
Wegen der Abnahme der Konzentration des stratosphärischen Ozons ist mit erhöhter Einstrahlung von UV-B zu rechnen. Für die bodennahe Schicht der Atmosphäre (Troposphäre) gilt umgekehrt, dass eine allgemeine Temperaturerhöhung die Bildung von bodennahem Ozon eher fördert. Flüchtige biogene Kohlenwasserstoffe aus der Land- und Forstwirtschaft werden eher freigesetzt und fördern die Ozonbildung in der freien Natur.
Mittelbare Folgen des Klimawandels sind die verlängerte Vegetationsperiode und Veränderungen bei Fauna und Flora. Temperatursteigerung, Niederschlagsmengen und insbesondere Zahl der Frosttage sind für das Überleben von Infektionskrankheiten übertragenden Vektoren von Bedeutung. Mit dem Klimawandel finden neue - auch giftige - Pflanzen und Tiere bessere Lebensbedingungen.
Vulnerabilität bedeutet Verwundbarkeit. Im Zusammenhang mit dem Klimawandel ist die Vulnerabilität ein Ausdruck dafür, wie weit die Gesellschaft von den Folgen des Klimawandels anfällig ist. Die Vulnerabilität ist um so höher, je stärker sich die für die Gesellschaft bedeutsamen Klimafaktoren sich ändern, je empfindlicher die Gesellschaft darauf reagiert und um so geringer, je besser sie sich an die Veränderungen anpassen kann. Das gilt auch für die einzelnen Menschen, die verschieden exponiert sein können, unterschiedlich empfindlich sind und deren Anpassungsfähigkeit ebenfalls sehr verschieden sein kann.
Die Menschheit hat sich als sehr anpassungsfähig an vorgefundene klimatische Bedingungen erwiesen. Mit technischen Möglichkeiten lassen sich viele der eigentlich gesundheitsrelevanten Klimafaktoren kompensieren. Einige Begleitumstände des Klimawandels werden jedoch die Vulnerabilität – allgemein und individuell – beeinflussen.
Die Anpassungsfähigkeit des Menschen ist besonders gut gegenüber erhöhten Temperaturen (über 25°- 30°C) entwickelt. Oberhalb dieses Temperaturbereichs lässt jedoch die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit nach. Die arbeitende Bevölkerung ist zwar im Durchschnitt gesünder als der Durchschnitt der Gesamtbevölkerung, kann jedoch wegen ihrer Arbeit nur beschränkt den Witterungsumständen ausweichen.
Die Siedlungsformen, in denen die Menschen leben, bestimmen stark das örtliche Klima. In großstädtischen Verdichtungsgebieten werden höhere Durchschnittstemperaturen, stärker ausgeprägte Hitzephasen und geringere nächtliche Abkühlung zu beobachten sein als in ländlicher Umgebung. Bei alten und chronisch kranken Menschen kommt hinzu, dass die Anpassungsfähigkeit an die Umgebungstemperaturen eingeschränkt ist.
Die indirekten Folgen des Klimawandels manifestieren sich über Veränderungen in der Umwelt. Insekten und andere Gliederfüßer können sich bei wärmeren Umgebungstemperaturen dauerhaft ansiedeln und als Vektoren Infektionskrankheiten übertragen. Gefährdet sind überwiegend Personen, welche sich beruflich oder in der Freizeit im Freien aufhalten. Das gilt besonders für die von Zecken übertragenen Krankheiten. Stech- und Sandmücken suchen ihren Wirt aktiv auf, sind flugfähig und können so mehr potentielle Wirte erreichen. Ökologie und Biologie der Vektoren und damit die Verbreitung der von ihnen übertragenen Krankheitserreger stehen allerdings miteinander und mit der Umwelt in einer engen, äußerst komplexen Beziehung, welches verlässliche Voraussagen erschwert.
Eine weitere indirekte Auswirkung des Klimawandels ist die vermutete Zunahme von Pollenallergien bei Verlängerung der Vegetationsperiode und zur Verminderung der Frosttage. Wärme liebende Pflanzen können sich neu ansiedeln, z.B. die hier schon wachsende Ambrosie (Ambrosia artemisiifolia), die ein starkes allergenes Potential besitzt.
Aufenthalt im Freien ist mit erhöhter UV-Strahlen-Exposition verbunden. Inwieweit die UV Einstrahlung sich verändern wird, ist schwer abzusehen. Aber schon die höheren Durchschnittstemperaturen werden den Aufenthalt im Freien fördern und damit die Hautexposition gegenüber der UV-Strahlung erhöhen. Das damit verbundene Risiko für Hautkrebs wird wegen der langen Latenzzeiten jedoch unterschätzt.